Optionen und Derivate - Grundlagen und Anwendungen

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Bevorstehend

Einführung in Optionen und Derivate: Funktionsweise, Einsatzmöglichkeiten und praktische Berechnungen mit Übungsbeispielen

Ziele dieses Moduls
  • Sie können die Begriffe Derivat, Option, Call und Put definieren und deren Funktionsweise erklären
    Verstehen
  • Sie können Gewinn- und Verlustprofile von Optionen berechnen und grafisch darstellen
    Anwenden
  • Sie können verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Derivaten analysieren und bewerten
    Analysieren
  • Sie können einfache Optionsstrategien entwerfen und deren Risiko-Rendite-Profil beurteilen
    Evaluieren

In diesem Lernmodul lernen Sie die Grundlagen von Optionen und Derivaten kennen. Sie verstehen die verschiedenen Arten von Derivaten, können deren Funktionsweise erklären und führen praktische Berechnungen durch.

Wie wird der Preis einer Option bestimmt?

Der Preis einer Option (die Prämie) setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

1. Innerer Wert (Intrinsic Value)

Der Wert, den die Option bei sofortiger Ausübung hätte:

  • Call: max(Aktienkurs - Strike Price, 0)
  • Put: max(Strike Price - Aktienkurs, 0)

Beispiel Call: Aktienkurs 110 CHF, Strike 100 CHF → Innerer Wert = 10 CHF
Beispiel Put: Aktienkurs 90 CHF, Strike 100 CHF → Innerer Wert = 10 CHF

2. Zeitwert (Time Value)

Der zusätzliche Wert durch die verbleibende Laufzeit. Je mehr Zeit bis zum Verfall, desto höher der Zeitwert (die Option könnte noch "ins Geld" kommen).

Formel: Prämie = Innerer Wert + Zeitwert

Einflussfaktoren auf den Optionspreis

FaktorSteigt →Call-PreisPut-Preis
Aktienkurs↑↑ steigt↓ fällt
Strike Price↑↓ fällt↑ steigt
Laufzeit↑↑ steigt↑ steigt
Volatilität↑↑ steigt↑ steigt
Zinssatz↑↑ steigt↓ fällt

Black-Scholes-Modell

Das bekannteste mathematische Modell zur Berechnung von Optionspreisen (Nobelpreis 1997). Es berĂĽcksichtigt:

  • Aktueller Aktienkurs
  • Strike Price
  • Laufzeit bis Verfall
  • Risikofreier Zinssatz
  • Volatilität (Schwankungsbreite) der Aktie

Wichtig: Volatilität ist der Schlüsselfaktor! Je stärker eine Aktie schwankt, desto höher die Wahrscheinlichkeit großer Kursbewegungen → höherer Optionspreis.

Praktisches Beispiel

Nestlé-Call-Option:

  • Aktienkurs: 105 CHF
  • Strike: 100 CHF
  • Innerer Wert: 5 CHF
  • Zeitwert: 3 CHF (3 Monate Restlaufzeit, moderate Volatilität)
  • Prämie: 8 CHF

Bei Annäherung an den Verfall: Zeitwert fällt auf 0 CHF → Prämie = nur noch innerer Wert

Was sind Derivate?

Derivate sind Finanzinstrumente, deren Wert sich von einem zugrunde liegenden Basiswert (Underlying) ableitet. Der Basiswert kann sein:

  • Aktien
  • Anleihen
  • Rohstoffe (Gold, Ă–l, Weizen)
  • Währungen
  • Indizes (SMI, DAX, S&P 500)
  • Zinssätze

Arten von Derivaten

  • Optionen: Recht (aber keine Pflicht) zum Kauf/Verkauf
  • Futures: Verpflichtung zum Kauf/Verkauf zu einem bestimmten Zeitpunkt
  • Forwards: Individuelle Termingeschäfte (auĂźerbörslich)
  • Swaps: Tauschgeschäfte (z.B. Zinsen, Währungen)

Optionen - Die Grundlagen

Eine Option ist ein Vertrag, der dem Käufer das Recht, aber nicht die Pflicht gibt, einen Basiswert zu einem festgelegten Preis (Strike Price) zu kaufen oder zu verkaufen.

Call-Option (Kaufoption)

  • Recht, den Basiswert zum Strike Price zu kaufen
  • Gewinn, wenn der Kurs steigt
  • Beispiel: Call auf NestlĂ©-Aktie mit Strike 100 CHF

Put-Option (Verkaufsoption)

  • Recht, den Basiswert zum Strike Price zu verkaufen
  • Gewinn, wenn der Kurs fällt
  • Beispiel: Put auf SMI-Index mit Strike 11'000 Punkte

Wichtige Begriffe

  • Prämie: Preis der Option (was der Käufer bezahlt)
  • Strike Price (AusĂĽbungspreis): Festgelegter Kauf-/Verkaufspreis
  • Verfallsdatum: Letzter Tag zur AusĂĽbung der Option
  • Innerer Wert: Aktueller Wert bei sofortiger AusĂĽbung
  • Zeitwert: Zusätzlicher Wert durch verbleibende Laufzeit

Challenge

Ăśbungsbeispiel 1: Call-Option berechnen

Ausgangslage:

  • Sie kaufen eine Call-Option auf die Roche-Aktie
  • Strike Price: 250 CHF
  • Prämie: 15 CHF pro Aktie
  • 1 Option = 100 Aktien

Aufgaben:

  1. Berechnen Sie den Gewinn/Verlust bei folgenden Aktienkursen am Verfallsdatum: 230 CHF, 250 CHF, 270 CHF, 300 CHF
  2. Ab welchem Aktienkurs (Break-Even) machen Sie weder Gewinn noch Verlust?
  3. Was ist Ihr maximaler Verlust?

Lösung:

AktienkursInnerer WertKosten (Prämie)Gewinn/Verlust
230 CHF0 CHF (nicht ausĂĽben)-1'500 CHF-1'500 CHF
250 CHF0 CHF-1'500 CHF-1'500 CHF
270 CHF2'000 CHF (20Ă—100)-1'500 CHF+500 CHF
300 CHF5'000 CHF (50Ă—100)-1'500 CHF+3'500 CHF

Break-Even: 250 CHF + 15 CHF = 265 CHF

Maximaler Verlust: Die bezahlte Prämie = 1'500 CHF

Challenge

Ăśbungsbeispiel 2: Put-Option berechnen

Ausgangslage:

  • Sie kaufen eine Put-Option auf den SMI-Index
  • Strike Price: 11'000 Punkte
  • Prämie: 200 CHF
  • Multiplikator: 1 CHF pro Indexpunkt

Aufgaben:

  1. Berechnen Sie den Gewinn/Verlust bei folgenden SMI-Ständen: 10'500, 10'800, 11'000, 11'200
  2. Wann lohnt sich die AusĂĽbung der Option?
  3. Was ist der Break-Even-Punkt?

Lösung:

SMI-StandInnerer WertKosten (Prämie)Gewinn/Verlust
10'500500 CHF (11'000-10'500)-200 CHF+300 CHF
10'800200 CHF-200 CHF±0 CHF
11'0000 CHF-200 CHF-200 CHF
11'2000 CHF (nicht ausĂĽben)-200 CHF-200 CHF

AusĂĽbung lohnt sich: Wenn SMI < 11'000 Punkte

Break-Even: 11'000 - 200 = 10'800 Punkte

Einsatzmöglichkeiten von Derivaten

1. Absicherung (Hedging)

Beispiel: Ein Schweizer Exporteur erwartet in 3 Monaten eine Zahlung von 1 Million USD. Um sich gegen einen fallenden Dollar abzusichern, kauft er eine Put-Option auf USD/CHF.

  • Vorteil: Schutz vor Kursverlusten
  • Nachteil: Kosten der Prämie

2. Spekulation

Beispiel: Ein Trader erwartet steigende Goldpreise und kauft Call-Optionen auf Gold.

  • Vorteil: Hebelwirkung (groĂźer Gewinn bei kleinem Einsatz möglich)
  • Nachteil: Totalverlust der Prämie bei falscher Einschätzung

3. Arbitrage

Ausnutzen von Preisunterschieden zwischen verschiedenen Märkten oder Produkten.

Challenge

Ăśbungsbeispiel 3: Absicherungsstrategie

Szenario:

Frau Müller besitzt 500 Novartis-Aktien im Wert von je 80 CHF (Gesamtwert: 40'000 CHF). Sie befürchtet fallende Kurse in den nächsten 6 Monaten, möchte die Aktien aber langfristig behalten.

Strategie: Protective Put

  • Kauf von 5 Put-Optionen (je 100 Aktien)
  • Strike Price: 75 CHF
  • Prämie: 3 CHF pro Aktie
  • Kosten: 5 Ă— 100 Ă— 3 CHF = 1'500 CHF

Aufgaben:

  1. Berechnen Sie den Gesamtwert (Aktien + Put) bei Kursen von: 60 CHF, 75 CHF, 80 CHF, 90 CHF
  2. Was ist der maximale Verlust?
  3. Wann lohnt sich diese Strategie?

Lösung:

AktienkursAktienwertPut-WertKostenGesamtwertVerlust/Gewinn
60 CHF30'000+7'500-1'50036'000-4'000
75 CHF37'5000-1'50036'000-4'000
80 CHF40'0000-1'50038'500-1'500
90 CHF45'0000-1'50043'500+3'500

Maximaler Verlust: 40'000 - 36'000 = 4'000 CHF (bei Kursen ≤ 75 CHF)

Die Strategie lohnt sich: Wenn die Versicherung gegen starke Kursverluste wichtiger ist als die Prämienkosten.

Warning

Risiken von Derivaten

  • Hebelwirkung: GroĂźe Verluste bei kleinem Kapitaleinsatz möglich
  • Komplexität: Viele Derivate sind schwer zu verstehen
  • Kontrahentenrisiko: Vertragspartner könnte ausfallen
  • Liquiditätsrisiko: Nicht alle Derivate sind jederzeit handelbar
  • Zeitverfall: Optionen verlieren mit der Zeit an Wert

Historisches Beispiel: Die Finanzkrise 2008 wurde teilweise durch komplexe Derivate (Credit Default Swaps) verschärft.

Challenge

Ăśbungsbeispiel 4: Optionsstrategie analysieren

Bull Call Spread (für moderat steigende Märkte):

Ein Investor erwartet, dass die UBS-Aktie (aktuell 25 CHF) in den nächsten 3 Monaten auf etwa 30 CHF steigen wird.

Strategie:

  • Kaufen: 1 Call mit Strike 25 CHF, Prämie 3 CHF
  • Verkaufen: 1 Call mit Strike 30 CHF, Prämie 1 CHF
  • Netto-Kosten: 3 - 1 = 2 CHF pro Aktie (200 CHF fĂĽr 100 Aktien)

Aufgaben:

  1. Berechnen Sie Gewinn/Verlust bei Kursen von: 20, 25, 27, 30, 35 CHF
  2. Was ist der maximale Gewinn?
  3. Was ist der maximale Verlust?
  4. Wo liegt der Break-Even?

Lösung:

KursLong Call (25)Short Call (30)NettoG/V
20 CHF00-200-200
25 CHF00-200-200
27 CHF+2000-2000
30 CHF+5000-200+300
35 CHF+1'000-500-200+300

Maximaler Gewinn: 300 CHF (bei Kursen ≥ 30 CHF)

Maximaler Verlust: 200 CHF (bei Kursen ≤ 25 CHF)

Break-Even: 27 CHF

Reflection

Reflexion und Vertiefung

Diskussionsfragen:

  • Warum sind Derivate sowohl nĂĽtzliche Instrumente als auch potenzielle Gefahren?
  • Sollten Privatanleger mit Derivaten handeln? Unter welchen Bedingungen?
  • Wie unterscheidet sich Hedging von Spekulation in ethischer Hinsicht?

WeiterfĂĽhrende Aufgaben:

  1. Recherchieren Sie aktuelle Optionspreise auf der Schweizer Börse (SIX)
  2. Vergleichen Sie die Prämien von Optionen mit unterschiedlichen Laufzeiten auf denselben Basiswert
  3. Analysieren Sie, wie sich die Volatilität auf Optionspreise auswirkt

Checklist

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