Marktmechanismus: Angebot und Nachfrage
Verstehen Sie, wie Preise auf dem Markt entstehen und warum ein iPhone mehr kostet als ein Kilo Kartoffeln. Mit praktischen Ăbungen und Alltagsbeispielen!
- Sie können die Begriffe Angebot und Nachfrage definieren und an konkreten Beispielen erklÀren.Verstehen
- Sie können die Auswirkungen von VerĂ€nderungen bei Angebot oder Nachfrage auf den Preis vorhersagen und begrĂŒnden.Anwenden
- Sie können das Marktgleichgewicht erklÀren und grafisch darstellen.Verstehen
- Sie können reale Marktsituationen analysieren und das Prinzip von Angebot und Nachfrage darauf anwenden.Analysieren
In diesem Modul lernen Sie die Grundlagen des Marktmechanismus kennen. Sie entdecken, wie Angebot und Nachfrage zusammenspielen und wie dadurch Preise entstehen.
Mit vielen praktischen Beispielen aus dem Schweizer Alltag und interaktiven Aufgaben können Sie das Gelernte direkt anwenden.
đŻ Was Sie in diesem Modul lernen
MĂ€rkte sind ĂŒberall: Wenn Sie morgens beim BĂ€cker ein Gipfeli kaufen, sind Sie auf dem Markt. Wenn Sie auf Ricardo ein gebrauchtes iPhone verkaufen, sind Sie auf dem Markt. Aber wie entstehen eigentlich die Preise?
In diesem Modul entdecken Sie:
- Was Angebot und Nachfrage bedeuten
- Wie Preise auf dem Markt entstehen
- Warum Preise steigen und fallen
- Wie das Marktgleichgewicht funktioniert
Zeitaufwand: ca. 30-40 Minuten
Vorwissen: Keines nötig!
đ Grundbegriffe: Angebot und Nachfrage
Was ist Nachfrage?
Nachfrage = Alle KĂ€ufer, die ein Produkt kaufen WOLLEN und KĂNNEN (also Geld haben).
Wichtig: Nur wollen reicht nicht! Sie mĂŒssen auch kaufen können.
Beispiel: Sie wollen ein Tesla Model S (CHF 100'000), haben aber nur CHF 500 auf dem Konto. â Sie sind KEINE Nachfrage, weil Sie es nicht kaufen können.
Was ist Angebot?
Angebot = Alle VerkÀufer, die ein Produkt verkaufen wollen und können.
Beispiel: Alle Bauern im Seeland haben Erdbeeren geerntet und wollen sie verkaufen. â Das ist das Angebot an Erdbeeren.
Der Markt bringt beide zusammen
Ein Markt ist der Ort (physisch oder digital), wo Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen.
Beispiele:
- Wochenmarkt in Bern (physisch)
- Ricardo.ch (digital)
- Migros (physischer Laden)
- Börse (digital, fĂŒr Aktien)
Challenge
đ§Ș Aufgabe 1: Nachfrage oder nicht?
Entscheiden Sie: Ist die Person Teil der Nachfrage? (Ja/Nein)
- Anna möchte ein neues iPhone 15 (CHF 1'000) und hat CHF 2'000 gespart.
- Ben trÀumt von einem Ferrari (CHF 300'000), verdient aber CHF 4'000 pro Monat.
- Carmen will Bio-Ăpfel kaufen und hat CHF 5 dabei. Ein Kilo kostet CHF 4.50.
- Daniel möchte gerne ein Konzertticket fĂŒr CHF 120, hat aber sein ganzes Geld fĂŒr Miete ausgegeben.
- Elena plant einen Urlaub fĂŒr CHF 2'000 und hat CHF 2'500 auf dem Sparkonto.
Lösungen:
- Ja â Anna will UND kann kaufen
- Nein â Ben will, aber kann nicht (zu teuer fĂŒr sein Einkommen)
- Ja â Carmen will und kann kaufen
- Nein â Daniel will, aber kann momentan nicht
- Ja â Elena will und kann kaufen
đ Das Gesetz von Angebot und Nachfrage
Regel 1: Nachfrage beeinflusst den Preis
Viel Nachfrage â Preis steigt
Wenn viele Leute etwas kaufen wollen, können VerkÀufer höhere Preise verlangen.
Beispiel: iPhone am Lancierungstag
- Situation: Alle wollen das neueste iPhone, aber nur wenige sind verfĂŒgbar
- Resultat: Apple verkauft zum vollen Preis (CHF 1'000+), keine Rabatte
- Manche HÀndler verlangen sogar AufschlÀge!
Wenig Nachfrage â Preis sinkt
Wenn kaum jemand etwas kaufen will, mĂŒssen VerkĂ€ufer den Preis senken.
Beispiel: Winterjacken im Sommer
- Situation: Niemand braucht im Juli eine Daunenjacke
- Resultat: SportgeschÀfte machen Sale: -50% auf Winterware
Regel 2: Angebot beeinflusst den Preis
Wenig Angebot â Preis steigt
Wenn es wenig von einem Produkt gibt, wird es teurer.
Beispiel: Erdbeeren im Winter
- Situation: Im Januar wachsen in der Schweiz keine Erdbeeren
- Resultat: Importierte Erdbeeren kosten CHF 8â12 pro Kilo
Viel Angebot â Preis sinkt
Wenn es viel von einem Produkt gibt, wird es gĂŒnstiger.
Beispiel: Erdbeeren im Juni
- Situation: Alle Schweizer Bauern ernten gleichzeitig Erdbeeren
- Resultat: Preis sinkt auf CHF 3â4 pro Kilo
Challenge
đź Aufgabe 2: Preisentwicklung vorhersagen
Was passiert mit dem Preis? Steigt er, sinkt er oder bleibt er gleich?
- Situation: Die PlayStation 6 kommt neu auf den Markt. Sony kann nur 500'000 Konsolen produzieren, aber 2 Millionen Gamer wollen eine kaufen.
Was passiert mit dem Preis? - Situation: Es ist Samstagabend, 21:00 Uhr. Die BĂ€ckerei hat noch 10 Gipfeli ĂŒbrig, die morgen nicht mehr frisch sind. Kaum noch Kunden kommen.
Was passiert mit dem Preis? - Situation: Ein neues Gesetz verbietet Diesel-Autos in StÀdten. Viele Leute wollen ihr Diesel-Auto verkaufen.
Was passiert mit dem Preis fĂŒr gebrauchte Diesel? - Situation: Eine schlechte Ernte in SĂŒdamerika: Nur halb so viel Kaffee wie normal wurde geerntet.
Was passiert mit dem Kaffeepreis? - Situation: Ein Influencer empfiehlt auf TikTok eine spezielle Sneaker-Marke. Plötzlich wollen 50'000 Follower diese Schuhe.
Was passiert mit dem Preis?
Lösungen:
- Preis steigt â Hohe Nachfrage, wenig Angebot â HĂ€ndler verlangen AufschlĂ€ge
- Preis sinkt â Wenig Nachfrage, Ware muss weg â Rabatt (z.B. CHF 1 statt CHF 2.50)
- Preis sinkt â Viel Angebot (alle verkaufen), weniger Nachfrage â Wertverlust
- Preis steigt â Wenig Angebot, gleichbleibende Nachfrage â Knappheit
- Preis steigt â Plötzlich viel Nachfrage, Angebot kann nicht sofort mithalten â Hype-Preise
âïž Das Marktgleichgewicht
Der Markt findet immer einen Gleichgewichtspreis â den Preis, bei dem Angebot und Nachfrage genau gleich gross sind.
Beispiel: Gebrauchte iPhones auf Ricardo
Zu teuer (CHF 800):
- Viele wollen verkaufen (Angebot hoch)
- Wenige wollen kaufen (Nachfrage tief)
- â VerkĂ€ufer bleiben auf ihren iPhones sitzen
- â Sie senken den Preis
Zu gĂŒnstig (CHF 200):
- Wenige wollen verkaufen (Angebot tief)
- Viele wollen kaufen (Nachfrage hoch)
- â iPhones sind sofort ausverkauft
- â VerkĂ€ufer erhöhen den Preis
Gleichgewicht (CHF 450):
- Genau gleich viele VerkÀufer wie KÀufer
- Alle iPhones werden verkauft
- Alle KĂ€ufer finden ein iPhone
- â Stabiler Preis
Die unsichtbare Hand
Der Ăkonom Adam Smith sprach von der "unsichtbaren Hand des Marktes": Der Markt reguliert sich selbst, ohne dass jemand die Preise festlegen muss!
Challenge
đ Aufgabe 3: Das Gleichgewicht finden
Situation: Sie verkaufen selbstgemachte Cupcakes am Wochenmarkt.
Die Datenlage:
- Bei CHF 8 pro Cupcake: 5 Leute wollen kaufen, Sie können 30 produzieren
- Bei CHF 6 pro Cupcake: 15 Leute wollen kaufen, Sie können 30 produzieren
- Bei CHF 4 pro Cupcake: 35 Leute wollen kaufen, Sie können 30 produzieren
- Bei CHF 3 pro Cupcake: 50 Leute wollen kaufen, Sie können 30 produzieren
Fragen:
- Bei welchem Preis haben Sie zu viel Angebot (Cupcakes bleiben ĂŒbrig)?
- Bei welchem Preis haben Sie zu wenig Angebot (nicht alle KĂ€ufer bekommen einen)?
- Welcher Preis liegt am nÀchsten am Gleichgewicht?
- Was wĂŒrden Sie als VerkĂ€ufer tun, wenn Sie nĂ€chstes Mal 50 Cupcakes produzieren könnten?
Lösungen:
- CHF 8 und CHF 6 â Nur 5 bzw. 15 KĂ€ufer, aber 30 Cupcakes â 25 bzw. 15 bleiben ĂŒbrig
- CHF 4 und CHF 3 â 35 bzw. 50 KĂ€ufer wollen kaufen, aber nur 30 verfĂŒgbar â 5 bzw. 20 gehen leer aus
- CHF 4 â Hier ist die Nachfrage (35) am nĂ€chsten am Angebot (30). Fast Gleichgewicht!
- Preis senken auf CHF 3â4 â Mit 50 Cupcakes können Sie mehr verkaufen, wenn der Preis attraktiver ist. Bei CHF 3 verkaufen Sie alle 50!
đ Reale Marktbeispiele aus der Schweiz
Beispiel 1: Der Wohnungsmarkt in ZĂŒrich
Problem: Viele Menschen wollen in ZĂŒrich wohnen (hohe Nachfrage), aber es gibt nur begrenzt Wohnungen (begrenztes Angebot).
Resultat: Sehr hohe Mieten!
- 3-Zimmer-Wohnung in ZĂŒrich: CHF 2'500â3'500 pro Monat
- Gleiche Wohnung in Olten: CHF 1'200â1'800 pro Monat
Warum? In Olten ist die Nachfrage geringer â tiefere Preise.
Beispiel 2: Konzertkarten fĂŒr BeyoncĂ©
Situation: Beyoncé kommt ins Letzigrund-Stadion. 50'000 Tickets, aber 200'000 Fans wollen welche.
Was passiert?
- Offizielle Tickets (CHF 150) sind in 5 Minuten ausverkauft
- Auf Viagogo/Ticketcorner-Resale steigen Preise auf CHF 500â1'000
- VIP-Tickets kosten sogar CHF 2'000+
ErklÀrung: Extrem hohe Nachfrage + sehr begrenztes Angebot = explodierende Preise auf dem Zweitmarkt.
Beispiel 3: Black Friday bei Mediamarkt
Ziel: Mediamarkt will LagerbestÀnde rÀumen (viel Angebot).
Strategie: Preise stark senken (-50% auf TVs, Laptops, etc.).
Resultat: KĂŒnstlich hohe Nachfrage â Alles ist ausverkauft.
Lernen: VerkÀufer können mit Preisen die Nachfrage steuern!
Challenge
đ Aufgabe 4: Marktanalyse
Analysieren Sie folgende Marktsituationen. ErklÀren Sie jeweils:
- Wie ist die Situation bei Angebot und Nachfrage?
- Was passiert mit dem Preis?
- Was könnten VerkÀufer oder KÀufer tun?
Situation A: Elektroautos in der Schweiz (2024)
- Immer mehr Menschen wollen ein E-Auto kaufen (Umweltbewusstsein, Benzinpreise)
- Autohersteller können nicht schnell genug produzieren (LieferengpÀsse bei Batterien)
- Wartezeiten: 6â12 Monate
Situation B: Skigebiete im Januar
- Es hat viel Schnee, perfekte Bedingungen
- Schweizer und Deutsche Touristen wollen in die Berge
- Hotels und Ferienwohnungen sind limitiert
Situation C: Fast Fashion bei H&M
- H&M produziert massenhaft gĂŒnstige Kleider
- Jede Woche neue Kollektionen
- Junge Leute kaufen viel, aber nicht zu hohen Preisen
Mögliche Analysen:
A: Hohe Nachfrage, begrenztes Angebot â Preise bleiben hoch, keine Rabatte. Hersteller bauen ProduktionskapazitĂ€ten aus. KĂ€ufer: lange warten oder Occasion-Markt.
B: Hohe Nachfrage, fixes Angebot (Betten kann man nicht einfach vermehren) â Preise steigen (Hochsaison-Zuschlag). Hotels maximieren Umsatz. KĂ€ufer: frĂŒh buchen oder ausweichen auf gĂŒnstigere Orte.
C: Hohes Angebot, moderate Nachfrage â Preise bleiben tief (CHF 9.90 fĂŒr T-Shirt). H&M setzt auf Masse statt Preis. KĂ€ufer profitieren von gĂŒnstigen Preisen, aber QualitĂ€t leidet.
Note
đĄ Grenzen des Marktmechanismus
Der Markt funktioniert gut, aber nicht immer perfekt. Es gibt Situationen, wo der Staat eingreifen muss:
1. Monopole
Problem: Wenn es nur einen Anbieter gibt (z.B. SBB fĂŒr ZĂŒge), kann dieser die Preise beliebig setzen.
Lösung: Staat reguliert Preise oder fördert Konkurrenz.
2. Lebenswichtige GĂŒter
Problem: Bei Medikamenten oder Wasser sollten Preise nicht explodieren, auch wenn Nachfrage hoch ist.
Lösung: Staat setzt Höchstpreise oder subventioniert.
3. Externe Effekte
Problem: Umweltverschmutzung wird im Preis nicht berĂŒcksichtigt (z.B. billige Plastikprodukte).
Lösung: Staat erhebt Umweltsteuern oder verbietet schÀdliche Produkte.
4. Spekulation
Problem: Investoren kaufen massenhaft Wohnungen, um sie teurer weiterzuverkaufen â kĂŒnstliche Knappheit.
Lösung: Staat kann Spekulation besteuern oder regulieren.
đ Zusammenfassung
Die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Modul:
Kernprinzipien
- Nachfrage = KÀufer, die wollen UND können
- Angebot = VerkÀufer, die anbieten können
- Markt = Ort, wo sich beide treffen
Preismechanismus
- Hohe Nachfrage + Wenig Angebot = Preis steigt
- Niedrige Nachfrage + Viel Angebot = Preis sinkt
- Der Markt findet automatisch ein Gleichgewicht
Reale Beispiele
- Wohnungsmarkt ZĂŒrich (hohe Nachfrage â hohe Mieten)
- Konzerttickets (Knappheit â Zweitmarkt-Preise)
- Erdbeeren (saisonal: Winter teuer, Sommer gĂŒnstig)
Grenzen
- Monopole brauchen Regulierung
- Lebenswichtige GĂŒter sollen erschwinglich bleiben
- Umweltkosten werden oft nicht eingepreist
Checklist
Reflection
đ WeiterfĂŒhrende Gedanken
Jetzt, wo Sie die Grundlagen kennen, können Sie ĂŒber folgende Fragen nachdenken:
- Warum sind manche Produkte in der Schweiz viel teurer als in Deutschland oder Frankreich? (Stichwort: Hochpreisinsel Schweiz)
- Wie beeinflusst die Digitalisierung MĂ€rkte? (z.B. Ricardo, Airbnb, Uber)
- Ist es ethisch, bei hoher Nachfrage die Preise stark zu erhöhen? (z.B. Wasserflaschen bei Hitze)
- Wie funktionieren MÀrkte, wenn Informationen asymmetrisch sind? (z.B. Gebrauchtwagen: VerkÀufer weià mehr als KÀufer)
Diese Fragen gehen ĂŒber dieses Modul hinaus â aber Sie haben jetzt die Basis, um mitzudiskutieren! đȘ